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Diversität

„Seit wir uns mit Diversität an unserer Schule beschäftigen, nehmen wir besser wahr, wenn wir uns gegenseitig als ‚anders‘ und ‚normal‘ bezeichnen, und lernen dadurch, besser mit Diskriminierungen umzugehen.“

Der Diversitäts-Ansatz hat seine Ursprünge in den Bürgerrechtsbewegungen in den USA und dem aus ihnen hervorgegangenen Konzept der Antidiskriminierungspolitik (vgl. Benbrahim 2012, S. 8). Er wird zum einen als „Managing Diversity“ von Unternehmen aufgegriffen, wobei die wirtschaftliche Nutzbarmachung von Differenz im Mittelpunkt steht. Von einer solchen marktförmigen Ausrichtung lässt sich zum anderen eine an Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit und Antidiskriminierung orientierte Rezeption im Bildungsbereich unterscheiden, die gesellschaftliche Veränderungen zugunsten marginalisierter Gruppen fokussiert, indem „Norm“ und „Differenz“ als Konstruktionen hinterfragt werden. Differenz und damit Diversität gilt in dieser Perspektive nicht als per se existent, sondern als in sozialen oder institutionellen Interaktionen hergestellt (vgl. Fereidooni/Zeoli 2016, S. 9f.). 

Eine diversitätsbewusste Pädagogik geht davon aus, dass alle Menschen aufgrund von Machtverhältnissen wie Sexismus, Rassismus, Klassismus, Heteronormativität oder Ableismus in einer Gesellschaft unterschiedlich positioniert sind. Diese Positionierung beeinflusst, welche Chancen Menschen haben, welche Erfahrungen sie machen, wie sie wahrgenommen werden und wie sie sich selbst sehen. Über Differenzverhältnisse, die meist dualistisch und hierarchisch sind, wird definiert, wer – auch in schulischen und außerschulischen Bildungskontexten – als „normal“ gilt, wer sich als selbstverständlich zugehörig erlebt oder wer sich repräsentiert und angesprochen fühlt. Überlegungen zum Stichwort „Intersektionalität“ (vgl. Crenshaw 1991; Portal Intersektionalität) weisen darauf hin, dass Differenzdimensionen stets gleichzeitig wirken. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob Menschen als Akademiker*innen oder als Arbeiter*innen Rassismuserfahrungen machen. Differenzverhältnisse als Konstruktion zu verstehen bedeutet auch, sie als potentiell veränderbar zu betrachten. Es bedeutet jedoch nicht, sie als nicht wirkmächtig zu begreifen, da Menschen sich in Auseinandersetzung mit Differenzverhältnissen subjektivieren: Sie identifizieren sich als Mädchen, als schwuler Mann, als Angehörige*r einer bestimmten Kultur oder Nationalität, sie eignen sich Identitäten an, verändern sie oder distanzieren sich von ihnen. 

Diversitätsbewusste Pädagogik in diesem Sinne besteht darin, einen Umgang mit jenem unauflösbaren Dilemma der Reproduktion und Anerkennung von Differenz zu finden (vgl. Kiesel 1996). Zielperspektive dabei ist es, dass Bildungsorte zu diskriminierungsfreieren Orten werden, an denen alle Beteiligten Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstwirksamkeit erfahren können. Im besten Falle setzt diversitätsbewusste Pädagogik auf der Ebene der Organisation und auf der Ebene der direkten pädagogischen Arbeit gleichermaßen an und richtet ihre Bemühungen darauf, selbstgewählte Identitäten anzuerkennen und diese als veränderbar wahrzunehmen, Kinder und Jugendliche z.B. nicht auf eine kulturelle Herkunft festzuschreiben, unterschiedliche Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in ihrem Geworden-Sein und sozialen Kontext wahrzunehmen, wertzuschätzen und einzubeziehen. Das heißt auch sensibel zu sein für (institutionelle) Diskriminierungen, Zuschreibungen und Zugangsbarrieren, die mit Differenzkonstruktionen wie Geschlecht, Herkunft oder Behinderung verbunden sein können, insbesondere auch für die Diskriminierung durch eine Gleichbehandlung Ungleicher. Dabei gilt es, die eigene gesellschaftliche Positionierung und damit verbundene Normalitätsvorstellungen, Erfahrungen und Privilegien im Zusammenhang mit den eigenen Sichtweisen auf Kinder und Jugendliche zu reflektieren. 

Medien: Literatur, Downloads, Links, Videos
  • Benbrahim, Karima (2012): Theoretische Grundlagen zum Konzept Diversität. In: Benbrahim, Karima (Hg.): Diversität bewusst wahrnehmen und mitdenken, aber wie?, S. 6-7. Online: https://www.idaev.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/Reader/2012_IDA_Diversitaet.pdf [letzter Zugriff: 09.08.2023].  
  • Crenshaw, Kimberle (1991): Mapping the Margins. Intersectionality, Identity Politics, and Violence against Women of Color. In: Stanford Law Review 43 (6), S. 1241-1299. 
  • Fereidooni, Karim; Zeoli, Antonietta P. (2016) (Hg): Managing Diversity. Die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung. 
  • Kiesel, Doron (1996): Das Dilemma der Differenz. Zur Kritik des Kulturalismus in der interkulturellen Pädagogik. 
  • Portal Intersektionalität. Forschungsplattform und Praxisforum für Intersektionalität und Interdependenzen. Online: http://portal-intersektionalitaet.de/startseite/ [letzter Zugriff: 09.08.2023]. 
  • DeGeDe (Hg.) (2019): Demokratiepädagogik & Diversitätsbewusste Bildung, Facetten der Demokratiepädagogik.