Es heißt „Billstedt, Hamm und Horn erschuf Gott in seinem Zorn.“ Billstedt fällt seit vielen Jahren durch negative Schlagzeilen auf, geprägt von Jugendarbeitslosigkeit, Gewalt- und Drogendelikten. Billstedt ist verschrien und das wissen auch die SchülerInnen. Sie finden es unfair, immerhin ist es ihre „Hood“. An einem schönen Frühlingstag fahre ich mit dem Fahrrad durch Billstedt und erkenne die andere Seite Billstedts: bunt, laut, multikulturell, viele lachende Gesichter und hilfsbereite Menschen.
So entstand der Wunsch, gemeinsam mit den SchülerInnen eine Idee zu entwickeln, Billstedt einen neuen Anstrich zu verleihen. Dabei stellte sich zunächst die Frage, was im Stadtteil und in der Schule verbindet. Gemeinschaftserleben und Mitspracherecht sind dabei wichtige Ansatzpunkte. Eine Gemeinschaft wird in erster Linie durch Begegnungen beflügelt. Demokratiebildung bedeutet SchülerInnen eine Stimme zu geben, sich füreinander einzusetzen und neue Gestaltungsprozesse voranzubringen.
Was unsere SchülerInnen am meisten bewegt? Das sind Geschichten, Emotionen und Bilder von Menschen aus unmittelbarem Umfeld. Das Projekt zielt darauf ab, die Identität mit dem Stadtteil zu stärken. Es soll zeigen, wie wichtig jede Stimme für die Gemeinschaft im Stadtteil ist. Durch einen neuen Blick auf ihr vertrautes Umfeld sollen die SchülerInnen dazu ermutigt werden, Verantwortung für die Fragen Gesellschaft zu übernehmen. Schrittweise werden SchülerInnen dazu angeleitet, gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen in ihrem Stadtteil zu erkennen. In Anknüpfung an die Fragen „Was ist mir wichtig?“, „Was bewegt mich?“, fangen sie zunächst bei sich selbst an, um später ein umfassendes Verständnis von ihrer Gemeinschaft zu bekommen. Dieser neue Zugang soll ihnen helfen, ihren Alltag kritisch zu reflektieren, Billstedt neu zu erleben und sich aktiv ins politisch-gesellschaftliche Leben einzubringen. Ein wichtiges Anliegen ist es dabei, als Gruppe gemeinsam an Herausforderungen zu wachsen, eigenständig Lösungsansätze zu entwickeln und Gestaltungsprozesse möglichst selbstgesteuert voranzutreiben. Gleichzeitig schulen die SchülerInnen ihre sozialen, methodischen und fachlichen Kompetenzen in einem äußert lebensnahen Arbeitskontext. Sie sind gefragt in kreativem Arbeiten, Interviewführung, Textverarbeitung und politischem Know-how. Durch Teambuilding-Spiele und ritualisierte Stundenverläufe wird eine positive Lernatmosphäre geschaffen, in der jede Stimme gehört wird. Der Spaß und die Freude, Neues zu lernen und zu entdecken, stehen dabei im Vordergrund.
Das Stadtteilprojekt startete bereits zu Beginn des Schuljahres 2018/19 und wurde bis zum ersten Schulhalbjahr parallel zum Gesellschaftsunterricht angeboten. Insgesamt nehmen 19 SchülerInnen aus zwei Klassen des 10. Jahrgangs daran teil. Die praktische Umsetzung erfolgt an jeweils anderthalb Projekttagen pro Gruppe. Die von den SchülerInnen erbrachte Leistung im Rahmen des Stadtteilprojekts fließt als Teilleistung in die Gesellschaftsnote mit ein.
Der Theorieteil beinhaltete folgende Themen:
Projektphase: Problemermittlung – Name and frame it
In diesem Modul werden sich die SchülerInnen in ihre Ideen und Fragen zur Gestaltung ihres Bezirks einfinden. Sie befassen sich intensiv mit den Themen „Mensch“ und „Kultur“. Dabei ist es wichtig, Identifikationswerte mit ihrem Stadtteil zu finden und dem Projekt einen Namen zu geben.
Projektphase: Kompetenzermittlung
Im zweiten Modul sollen sowohl die wissenschaftlichen Methoden wie Interview-Führung und Recherche als auch die Kompetenzen zur Durchführung der kreativen Auseinandersetzung mit dem Stadtteil vermittelt werden.
Die Idee zum wissenschaftlichen Arbeiten entstand im Zuge meines ersten Fellow-Jahres. Die SchülerInnen stellen viele interessante und relevante Fragen im Hinblick auf Benachteiligung, Ungerechtigkeit und Stigmata. Anhand wissenschaftlichen Arbeitens werden die SchülerInnen dazu angeleitet, sich Antworten zu erarbeiten. Vorherrschende Probleme, Bedarfe und Anliegen sollen dabei diskutiert werden.
Die Kompetenzen zu Recherche und Interviewführung werden im Unterricht für alle vermittelt. Es soll ein Leitfadeninterview erarbeitet werden, das auf Schüler-/Lehrer-/Eltern-/und Bürgerebene eingesetzt werden sollen. Im Rahmen von Workshops zu den von den Schülern gewählten Ausdrucksformen wie z.B. Fotografie, journalistisches oder kreatives Schreiben sollen die Schüler von externen Fachleuten neue Kompetenzen erlernen.
Projektphase: Picture it!
Die SchülerInnen entwickeln gemeinsame Werte, die das Projekt #BillstedtFirst repräsentieren. Aus den gemeinsamen Werten erstellen sie ein Logo.
Projektphase: Praktische Durchführung
Im Rahmen des ersten Projekttages Anfang April 2019 möchten die SchülerInnen zunächst Persönlichkeiten Billstedts portraitieren und mit ihnen ins Gespräch kommen. Dafür nutzen die SchülerInnen das Kamera-Equipment der Schule und mischen sich unter die Leute auf dem Marktplatz. Die Ergebnisse sollen weiterhin in medialer Form eines Instagram-Kanals vorgestellt und publiziert werden, so lebt das Projekt gemäß der SchülerInnen, weiter.
Im Rahmen des zweiten Projekttages Im April 2019 möchten die SchülerInnen einen Film drehen, der Billstedt und seine Gemeinschaft aus ihren Augen zeigen soll: „Hier sind meine Freunde und meine Familie. Billstedt ist Swag.“ Die SchülerInnen bedrucken Jutebeutel mit dem Logo des Stadtteilprojekts. Diese sollen z. B. bei der Ausstellung verkauft werden.
Projektphase: Auswertung & Präsentation
Die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler werden am Ende im Rahmen einer kleinen Ausstellung (z. B. im Billstedt Center) präsentiert, sodass die Ergebnisse für Jung und Alt zugänglich gemacht werden. Die Ausstellung findet voraussichtlich am 24.05.2019 statt. Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben.
(aus dem Portfolio der Stadtteilschule Öjendorf zum Wettbewerb 2019)