Peer Education
Erziehung (Education) als wesentliche Komponente menschlicher Entwicklung beschreibt einen ganzheitlichen Bildungsprozess, der sich im Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft vollzieht und niemals in Isolation geschieht. Vielmehr vollzieht sich Entwicklung in Abhängigkeit von und mit der Lebensumwelt. So beschreibt John Dewey 1916 in seinem Werk „Democracy and Education“ den hohen Stellenwert, der dem gemeinsamen Lernprozess zugewiesen wird: „Education is not an affair of ‚telling‘ and being told, but an active and constructive process“. In diesem Bildungsprozess haben Eltern, Gleichaltrige und „Ähnlich-Altrige“ (Peers) eine zentrale Bedeutung für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung (vgl. Piaget 1954). Mit zunehmendem Alter wächst dabei der Einfluss der Peers auf die Orientierungsmuster von Kindern und Jugendlichen: Welche Werte werden als wichtig erachtet? Welche Rolle spielen Bildung und Lernen? Welche Ziele werden angestrebt?
Peer-Education kann als Oberbegriff unterschiedlicher pädagogischer Ansätze beschrieben werden, die zum Ziel haben, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit und ihren Kompetenzen zu stärken. Solche Ansätze beziehen sich sowohl auf das kooperative Lernen Gleichaltriger als auch auf altersübergreifende (crossage) Modelle, in denen Ältere (Jugendliche) Verantwortung für Jüngere übernehmen und diese über einen Zeitraum in ihrer Entwicklung begleiten. Dabei geht es nicht nur um den Erwerb kognitiver Kompetenzen, sondern um die Stärkung des Individuums in seiner ganzheitlichen Entwicklung: „[…] insofern bedeutet Peer-Education den Aufbau eines Angebots gegenseitiger Unterstützung und Hilfe […] durch Gleichaltrige“ (Nörber 2003). Dabei spielen sowohl kognitive Kompetenzen eine Rolle als auch der Erwerb sozialer und moralischer Kompetenzen, die im Konzept der Peer-Education miteinander verschränkt sind:
Hinter dem Prinzip steht die Erkenntnis, dass Menschen besser lernen, wenn sie dabei von Personen unterstützt und angeleitet werden, die ihrer eigenen Lebenswelt näherstehen (Peers). Kinder erfahren Interesse, Solidarität und Unterstützung von Älteren, die ihnen positive Lernerlebnisse vermitteln, was wiederum gesteigerte Lernmotivation zur Folge hat. Ältere erleben dabei Anerkennung und Wertschätzung durch Jüngere. Sie lernen für sich, indem sie anderen etwas erfahrbar machen und diese ermutigen.
Entwickelt und formal eingesetzt werden (unterschiedliche) Konzepte von Peer-Education, deren praktische Ansätze auf den Ergebnissen empirischer Studien beruhen, die die Bedeutung und den positiven Einfluss der Peer-Group hervorheben (vgl. Nörber 2003), verstärkt seit den 1960er Jahren. Solche Ansätze wurden in ihren Anfängen vor allem im Gesundheitsbereich eingesetzt und beruhen auf der Annahme, dass Jugendliche eher voneinander lernen und sich gegenseitig imitieren bzw. positiv stärken können (vgl. Bandura 1963).
Heute finden sich Peer-Education-Programme in zahlreichen Formen und Facetten wieder: als Handlungsstrategien in einzelnen Schulen, als übergreifende Schulentwicklungsplattform, z.B. das Buddy-Programm, als Vernetzungsperspektive in und zwischen Schulen mit dem Fokus des Mit- und Voneinander-Lernens (www.bildungsbande.de), als Pat*innen- sowie Mentoringprojekt (www.rockyourlife.de). Alle diese unterschiedlichen Programme greifen Ansätze der Peer-Education auf und fokussieren unterschiedliche Aspekte aus entwicklungspsychologischer, lerntheoretischer und lebensweltorientierter Sicht.
Medien: Literatur, Downloads, Links, Videos
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.) (2003): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden in der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
- Backes, Herbert; Schönbach, Karin (2001): Peer education. Ein Handbuch für die Praxis. Ergebnisse des Modellprojektes.
- Nörber, Martin (2003): Peer Education. Bildung und Erziehung von Gleichaltrigen durch Gleichaltrige.