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Elternkooperation in der Schule der Einwanderungs­gesellschaft

„Die Eltern, die wir dringend für eine bessere Bildung benötigen, sind in der Schule nicht erreichbar!“

Der bewusst gewählte Begriff der „Elternkooperation“ betont in seiner Mehrdeutigkeit (Kooperation Schule – Eltern, Eltern – Eltern, Schüler*innen – Eltern) das Feld, in dem Bildungs- und Erziehungspartnerschaften in der Schule der Einwanderungsgesellschaft denkbar sind, um die Bildungschancen aller Kinder und Jugendlichen zu fördern. Der Grundsatz der Anerkennung der sozialen, kulturellen, ethnischen Vielfalt von Schule und damit der notwendigen „interkulturellen“ Öffnung von Schule spiegelt sich insofern auch in der Beziehung von Eltern und Schule. 

Demokratisch arbeitende Schulen beziehen die Elternschaft aktiv in Arbeits- und schulische Entwicklungsprozesse ein. Eltern sind in diesen Schulen nicht nur Versorgungsstationen für Kaffee und Kuchen auf Schulfesten, sondern übernehmen Verantwortung in wichtigen Entwicklungen und Entscheidungsprozessen der Schule. 

Basis der aktiven Beteiligung von Eltern sind gesetzlich verankerte Elternrechte im Grundgesetz, in den jeweiligen Länderverfassungen und Schulgesetzen. Ziel von Elternkooperation ist es, dass Eltern aller Schüler*innen miteinander und mit der Schule kooperieren. Die Realität zeigt, dass Dominanzstrukturen in der Schule auch die Zugangsmöglichkeiten von Eltern einschränken können: Barrieren liegen z.B. in Kommunikationsstrukturen, im mangelnden professionellen Umgang mit Mehrsprachigkeit, in negativen Erfahrungen von Eltern mit Schule, in strukturell ungleichen Möglichkeiten von sozial benachteiligten Gruppen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich als Herausforderung für Schulen in der Einwanderungsgesellschaft, ihre Strategien der Kooperation mit Eltern unter der Fragestellung zu reflektieren, ob diese tatsächlich wirksam sind für alle Eltern. 

Bildungspolitisch hat die Kultusminister*innenkonferenz (KMK) dazu klar Position bezogen. Mehr noch als die Empfehlungen der KMK zur Demokratieerziehung von 2009 weist die überarbeitete „Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisation von Menschen mit Migrationshintergrund zur Bildungs- und Erziehungspartnerschaft von Schule und Eltern“ von 2013 der Schule eindeutig die Aufgabe zu, strukturell zu agieren, indem der Abbau von Barrieren gefordert wird: „Die Schule übernimmt dabei die Aufgabe, im Rahmen der Schulentwicklung geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die institutionelle Barrieren abbauen und allen Eltern Partizipation ermöglichen.“ Auch in den Empfehlungen der KMK zur Interkulturellen Bildung und Erziehung 2009/2013 wird die Bedeutung der Mitwirkung von Eltern betont: „Die Schule entwickelt eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung, der Teilhabe und Mitwirkung gegenüber Eltern. Sie berücksichtigt deren sprachliche und kulturelle Heterogenität sowie unterschiedliche Vorerfahrungen mit Schule in Deutschland und bietet ihnen verschiedene, auch niedrigschwellige Kontakt- und Kooperationsmöglichkeiten. Sie initiiert gezielt Maßnahmen zur Beteiligung von Eltern am Schulleben, im Unterricht und in den Gremien.“ 

Qualitätsmerkmale partnerschaftlicher Kooperation sind die Entwicklung einer Willkommens- und Begegnungskultur, eine vielfältige und respektvolle Kommunikation, eine funktionierende Erziehungs- und Bildungskooperation sowie die Beteiligung von Eltern aus allen Schichten und Gruppen an schulischen Entscheidungen, Schulentwicklungsprozessen und die repräsentative Vertretung in Elterngremien (vgl. Veröffentlichung Vodafone Stiftung). 

Positive Beispiele für die Teilhabe von Eltern (nicht nur mit Zuwanderungsgeschichte) sind „Mentorenprogramme für Eltern”, Elternabende zum Kennenlernen und nicht nur zur Informationsvermittlung, Gestaltung der Elternabende durch  

Lehrer*innen und Eltern gemeinsam, gruppensensible Beachtung der Terminierung von Elternabenden und Elterngesprächen (außerhalb der regulären Arbeitszeiten und auch flexible Angebote für Menschen in Schichtarbeit), mehrgleisige und mehrsprachige Informationszustellung: Sicherstellung, dass alle Eltern notwendige Informationen bekommen (auch Eltern, die das Internet nicht nutzen, müssen wichtige Informationen bekommen), Elterncafés für den informellen Austausch der Eltern untereinander und der Eltern mit schulischen Vertreter*innen, individuell abgestimmte Absprachen für erzieherische und schulische Begleitung der Kinder und Jugendlichen, Elternkurse zu thematischen Schwerpunkten, Empowerment von Eltern zur Einbeziehung in die schulische Gremienarbeit. 

Die Beteiligung von Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund als Mittler*innen auf dem Weg zur Beteiligung von Eltern kann eine wichtige Rolle spielen. Projekte zur Förderung von Elternlots*innen (mit Zuwanderungsgeschichte) dienen dazu, Barrieren abzubauen, vor allem wenn sie langfristig implementiert werden. Ein gelungenes Beispiel ist das „Nürnberger Elternbüro für Schulerfolg und Teilhabe“ (NEST). 

Im schweizerischen „Quims-Programm“ (Qualität in multikulturellen Schulen) wurden mit Erfolg Elternkurse in Form von Themennachmittagen am Wochenende angeboten, bei denen Erziehungsfragen behandelt wurden und zugleich die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und auch zum Austausch und zur Auseinandersetzung bestand. 

Begegnung auf Augenhöhe von Eltern und Pädagog*innen will die vom ZentralElternBeirat Bremen und dem Landesinstitut für Schule getragene Reihe „Eltern und Schule im Dialog“ schaffen. Mit einem einführenden Vortrag stellen sich jeweils Schulen und Projekte vor, bei denen die Eltern-Lehrer*innenkooperation besonders gut gelingt. 

Gerade thematische Angebote – multiperspektivisch und multilingual – bieten die Möglichkeit, sich über demokratische Grundsätze in Schule und Erziehung auszutauschen und Demokratie damit in Gesellschaft und Lebenswelt zu verankern.

Medien: Literatur, Downloads, Links, Videos
  • Gomolla, Mechtild (2009): Elternbeteiligung in der Schule. In: Fürstenau, Sara; Gomolla, Mechtild (Hg.): Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung, S. 21-49. 
  • Knapp, Rudolf (2001): Elternarbeit in der Grundschule. 
  • Keck, Rudolf W.; Kirk, Sabine (Hg.) (2001): Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule. 
  • Sacher, Werner (2008): Elternarbeit – Gestaltungsmöglichkeiten und Grundlagen für alle Schularten.  
  • Familylab. Online: www.familylab.de [letzter Zugriff: 09.08.2023]. 

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