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Demokratiepädagogik

„Zu Demokraten werden wir nicht geboren, zu Demokraten werden wir durch Erziehung und Bildung, durch nachhaltige Prozesse in Kindheit und Jugend, die unsere Kompetenzen prägen und unseren Erfahrungen ihre Bedeutung verleihen.“ (Edelstein 2007, S. 8)

Als pädagogischer Fachbegriff, als Konzept und als übergreifender Programmbegriff ist „Demokratiepädagogik“ im Kontext des BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“ eingeführt worden (Fauser 2001, Edelstein/Fauser 2001) und in dieser Ausprägung auch mit der Gründung, den Zielen und der Entwicklung der „Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik“ 2005 eng verbunden (Magdeburger Manifest, Beutel/Fauser 2007). Nach zunächst sehr kontroversen Debatten über die fachwissenschaftliche, praktische und öffentliche Bedeutung und Tragfähigkeit der Demokratiepädagogik im Verhältnis zum Konzept der „Politischen Bildung“ (Breit 2003, kursiv 1/2004, Massing/Roy 2005) besteht heute ein überwiegend kooperatives Verhältnis zwischen den Fachverbänden und Expert*innen. Eine Fülle von Publikationen und Materialien entfaltet, bündelt und aktualisiert Ansätze, Methoden, Forschungsfragen, Erfahrungen und empirische Befunde der Demokratiepädagogik (DeGeDe 2010, Jahrbuch 2012). 

Für die Demokratiepädagogik sind Demokratie und Menschenrechte als umfassende und grundlegende Gestaltungsnormen eng verbunden (Krappmann 2012). Beide können nur miteinander verwirklicht werden. Wie die Menschenrechte ist auch die Demokratie eine historische Errungenschaft, deren Verständnis, Bedeutung und praktische Geltung durch politisches wie durch pädagogisches Handeln immer wieder aktiv erneuert und verwirklicht werden muss – als Regierungsform, als Gesellschaftsform und als Lebensform (Himmelmann 2001). Demokratie muss gelernt werden. Für Demokratielernen genügt Wissenserwerb allein nicht; gefordert ist Kompetenz, verstanden als die Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft, die erforderlich ist, um als mündige*r, verantwortungsfähige*r Bürger*in in der modernen Welt bestehen und mitwirken zu können (Himmelmann/Lange 2005, Beutel/Fauser 2013). 

Demokratiepädagogik bezieht sich nicht auf ein inhaltliches, methodisches oder fachliches Spezialgebiet oder ein Schulfach, sondern bezeichnet eine pädagogische Aufgabe und einen normativen Anspruch für Erziehung und Schule insgesamt. Besonders bei der Analyse guter Schulen, wie sie z.B. im Rahmen des „Deutschen Schulpreises“ erfolgt, erweist sich deren demokratiepädagogische Ausgestaltung auf den Ebenen des Lernens, des Unterrichts und der Schule insgesamt als prägende und tragende Qualität, ebenso wie der Zusammenhang zwischen demokratiepädagogischer Einstellung und pädagogischer Professionalität (Fauser/Prenzel/Schratz 2007ff.). Gute Schulen sind demokratische Schulen. 

Allerdings sind in Schule und Jugendarbeit Inhalte, Formen und Standards für professionelles pädagogisches Handeln und für die Gestaltung von Institutionen im Sinne des Demokratielernens noch zu wenig und zu wenig bewusst entwickelt und bilden noch kaum einen selbstverständlichen Bestandteil des beruflichen Wissens und Könnens. Demokratiepädagogik hat das Ziel, Entwicklungen auf diesem Feld anzuregen, zusammenzufassen und zu beschleunigen. Deshalb arbeitet die DeGeDe daran, praktische Erfahrungen und Einsichten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu bündeln und öffentlich zu vermitteln, den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern, Versuche, Förderprogramme und Forschungen anzuregen und zu begleiten, die internationale Zusammenarbeit voranzubringen und sich an der Bildung von Partnerschaften zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteur*innen für diese Aufgabe zu beteiligen. 

1.Demokratiepädagogik umfasst pädagogische Bedingungen und Aktivitäten im außerschulischen, schulischen und unterrichtlichen Kontext zur Förderung von Kompetenzen, die Menschen benötigen,  

  • um an Demokratie als Lebensform teilzuhaben und diese in Gemeinschaft mit anderen aktiv zu gestalten,  
  • um sich für eine demokratische Gesellschaftsform zu engagieren und sie durch Partizipation und Mitwirkung in lokalen und globalen Kontexten mitzugestalten,  
  • um Demokratie als Regierungsform durch aufgeklärte Urteilsbildung und Entscheidungsfindung zu bewahren und weiterzuentwickeln. (De Haan; Edelstein; Eikel 2007, S. 3f.)

 

2.Demokratieförderliches Lernen zeichnet sich aus durch den erfahrungsbasierten und handlungsorientierten Erwerb von Wissen über Demokratie, Kompetenzen für Demokratie und Erfahrungen durch Demokratie. Demokratieförderliches Lernen umfasst dementsprechend Gelegenheiten zum 

  • Erwerb von Kenntnissen und die Aneignung von Wissen als Grundlage für Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, 
  • Erwerb von Kompetenzen für demokratisches Handeln, 
  • Aufbau und die Entwicklung demokratischer Werte, Orientierungen und Einstellungen. 

Für die Verwirklichung von Demokratiepädagogik in der Schule und die Realisierung umfassenden demokratieförderlichen Lernens im obigen Sinne bedarf es entsprechender konkreter (Lern-)Gelegenheiten, die im Folgenden stichwortartig dargestellt werden. 

Gelegenheiten zum Erwerb von Kenntnissen und zur Aneignung von Wissen als Grundlage für Urteils- und Entscheidungsfähigkeit 

  • Erarbeitung von Orientierungs- und Deutungswissen zur Bedeutung der Demokratie als Regierungs-, Gesellschafts- und Lebensform, zu den Menschen- und Bürgerrechten, zur Funktion und Arbeitsweise sozialer, zivilgesellschaftlicher, staatlicher und wirtschaftlicher Einrichtungen. 
  • Bearbeitung von Inhalten und Themen, die in der gegenwärtigen Gesellschaft (im nationalen, europäischen und globalen Rahmen) als Probleme und Themen wahrgenommen und diskutiert werden, im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gestaltung eines an demokratischen Prozessen und Werten orientierten Zusammenlebens, einer an demokratischen Prozessen und Werten orientierten Gesellschaft. 
  • Erarbeitung von Wissen über Möglichkeiten, an der Gestaltung gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse zu partizipieren. 
  • Sichtbarmachung und Diskussion der Bedeutungshorizonte der für ein demokratisches Gemeinwesen konstitutiven Werte, Orientierungen und Einstellungen.

Gelegenheiten zum Erwerb von Kompetenzen für demokratisches Handeln in inner- und außerschulischen Feldern 

  • Formen kooperativen und projektförmigen Lernens innerhalb und außerhalb des Unterrichts. 
  • Aushandlungs-, Mitbestimmungs- und Feedbackstrukturen in der Schule (u.a. auch zur Verständigung über Erfahrungen von Schüler*innen und Lehrer*innen im Unterricht und in Situationen der Leistungsbewertung, Mitwirkung in Selbstverwaltungsgremien, basisdemokratische Formen kollektiver Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse, Klassenrat). 
  • Angebote zur Übernahme von Verantwortung und zur Mitarbeit im Gemeinwesen (z.B. Service-Learning) sowie zur zivilgesellschaftlichen und politischen Mitgestaltung der demokratischen Gesellschaft in lokalen und globalen Kontexten und zur Teilhabe an Demokratie als Gesellschaftsform und als formalem System politischer Regulierung (Mitwirkung in kommunalen Projekten, in politischen Foren, in zivilgesellschaftlichen Initiativen u.Ä.).

Gelegenheiten zum Aufbau und zur Entwicklung demokratischer Werthaltungen, Orientierungen und Einstellungen sowie sozialer und demokratischer Kompetenzen für eine demokratische Lebensform in Schule und Alltag 

Individuelle und kollektive (Lern-)Prozesse in der Schule sind so gestaltet, dass sie beitragen zur Förderung 

  • der Fähigkeit zum selbstwirksamen Handeln, 
  • der Entwicklung von Empathie und Perspektivenübernahme, 
  • des demokratischen Sprechens, 
  • der Kooperationsfähigkeit, 
  • der Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Diversität und Differenz, 
  • der Fähigkeit, Konflikte fair zu lösen, 
  • der Fähigkeit zu Zivilcourage und Kritik. 

Schulkultur ist charakterisiert durch 

  • Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Verantwortungsübernahme, wobei gilt, dass ohne Selbstwirksamkeit keine Anerkennung und ohne Verantwortungsübernahme keine Selbstwirksamkeit möglich ist, 
  • partizipative Ausgestaltung der demokratischen Alltagskultur, 
  • Teilnahme der Schule am zivilgesellschaftlichen Handeln, d.h. Agieren der Schule als verantwortungsvolle Akteurin im Sozialraum und in der Kommune, 
  • Förderung von Inklusion und Zugehörigkeit.
Medien: Literatur, Downloads, Links, Videos
  • Beutel, Wolfgang; Fauser, Peter (Hg.): Demokratie erfahren. Analysen, Berichte und Anstöße aus dem Wettbewerb „Förderprogramm Demokratisch Handeln“. 
  • Beutel, Wolfgang; Fauser, Peter (Hg.) (2007): Demokratiepädagogik. Lernen für die Zivilgesellschaft, S. 200-202. 
  • Beutel, Wolfgang; Fauser, Peter; Rademacher, Helmolt (2012): Demokratiepädagogik, In: Beutel, Wolfgang; Fauser, Peter; Rademacher, Helmolt (Hg.): Jahrbuch Demokratiepädagogik. (weitere Bände erscheinen fortlaufend)  
  • Breit, G.: Demokratie-Lernen oder Politik-Lernen. In: POLIS 3/2003.  
  • Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (Hg.) (2017): Merkmale demokratiepädagogischer Schulen. Ein Katalog. Online: https://degede.de/wp-content/uploads/2019/01/degede-merkmalskatalog-2017-web.pdf [letzter Zugriff: 31.07.2023]. 
  • Edelstein, Wolfgang; Fauser, Peter (2001): Demokratie lernen und leben. Gutachten zum Programm von Prof. Dr. Wolfgang Edelstein und Prof. Dr. Peter Fauser.  Online: https://www.pedocs.de/volltexte/2008/239/pdf/heft96.pdf [letzter Zugriff: 31.07.2023]. 
  • Fauser, Peter (2001).: Wo sind die Demokraten? Was die Praxis bietet und was sie braucht. In: BLK-Dokumentation des Kongresses „Für Demokratie – Gegen Gewalt vom 3.-5. Mai 2001 in Berlin 2001, S. 13-21.  
  • Fauser, Peter (2004): Demokratiepädagogik oder Politische Bildung? In: kursiv 1/2004, S. 44-48. 
  • Fauser, Peter; Prenzel, Manfred; Schratz, Michael (Hg.) (2007): Was für Schulen! Gute Schule in Deutschland. Der Deutsche Schulpreis 2006. 
  • Himmelmann, Gerhard (2001): Demokratie als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform. 
  • Himmelmann, Gerhard; Lange, Dirk (Hg.) (2005): Demokratiekompetenz. Beiträge aus Politikwissenschaft, Pädagogik und politischer Bildung. 
  • Krappmann, Lothar (2012): Das Menschenrecht der Kinder auf Bildung und die Politik. In: Jahrbuch Demokratiepädagogik 1, S. 52-65. 
  • Massing, Peter; Roy, Klaus-Bernhard (Hg.) (2005): Politik, Politische Bildung, Demokratie. Festschrift für Gotthard Breit.  

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