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Demokratiebildung

Demokratiebildung kann als Sammelbegriff die Dialoge über Ziele des demokratischen und politischen Lernens vereinfachen. Für differenzierte Beschreibungen der jeweils eigenen Lehr-Lern-Konzepte demokratischer Bildung und politischer Bildung ist der Begriff in der Regel jedoch nicht hinreichend geeignet, da er fachspezifische Professionalitätsmaximen übergehrn.

Der Begriff Demokratiebildung, der in Wissenschaft und Bildungspolitik zunehmend verwendet wird, bezeichnet die verschiedenen Lehr-Lern-Konzepte und Zielsetzungen von Demokratiepädagogik und Politischer Bildung sowie weiterer Bildungsausrichtungen, die demokratisches und politisches Lernen beinhalten. Dabei wird er unterschiedlich definiert: Steve Kenner und Dirk Lange beschreiben Demokratiebildung als „einen vom Subjekt ausgehenden ganzheitlichen Prozess der Bildung zur Mündigkeit, basierend auf demokratischen Grundwerten wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Emanzipation“ (Kenner/Lange 2022, S. 62). Sie akzentuieren damit Lernwege,
die im Sinne der Demokratiepädagogik nicht an Politik, die demokratisch oder undemokratisch sein kann, sondern an Demokratie und ihren Grundprinzipien ausgerichtet sein sollen. Zudem setzen sie mit der Orientierung von Lernwegen am Subjekt sowie an den Zielen Mündigkeit und Emanzipation im Sinne der Politischen Bildung einen Gegenpol zu Bildungsansätzen, die eine Affirmation des bestehenden demokratischen Systems in den Mittelpunkt stellen.Sabine Achour et al. wollen mit dem Begriff der Demokratiebildung demgegenüber „die politisch-historische Bildung als unterrichtliche und schulische Querschnittsaufgabe […] mit dem Ansatz der Demokratiepädagogik“ zusammenführen (Achour et al. 2020, S. 7).
Zugleich subsumieren sie unter Demokratiebildung als Sammelbegriff mehr als 15 „affine Bildungskonzepte“, wie z.B. Menschenrechtsbildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung und Medienbildung (ebd., S. 7). In der Bildungspolitik findet der Begriff Demokratiebildung insbesondere seit seiner Rezeption durch die Kultusminister*innenkonferenz im Anschluss an ihr Beschlusspapier „Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule“ (KMK 2018) sowie seit der Publikation des 16. Kinder- und Jugendberichts Verbreitung. Die Autor*innen des 16. Kinder- und Jugendberichts verstehen „Politische Bildung als Demokratiebildung“, halten eine scharfe Abgrenzung dieser Begriffe für „nicht zielführend“ und umreißen ein integratives Begriffsverständnis, das zahlreiche Bildungsausrichtungen, darunter auch Demokratiepädagogik, umfassen soll (vgl. BMFSFJ 2020, S. 128ff.). In diesem Sinne wurde Demokratiebildung als weit gefasster Sammelbegriff mittlerweile auch in die schulischen Bildungspläne zahlreicher Bundesländer aufgenommen.

Demokratiebildung erweitert die ohnehin bestehende terminologische Vielfalt in der politischen und demokratischen Bildung. Chancen dieses Begriffs liegen vor allem in der Vereinfachung von fachlichen Dialogen sowie in der Wegbereitung zu einem künftig stärkeren Komplementärverhältnis von Demokratiepädagogik und Politischer Bildung. Demokratiebildung übergeht als Sammelbegriff jedoch in problematischer Weise fachspezifische Professionalitätsmaximen der ihm zugeordneten Disziplinen. Für differenzierte Beschreibungen der jeweils eigenen Lehr-Lern-Konzepte demokratischer Bildung und politischer Bildung ist der Begriff Demokratiebildung in der Regel nicht hinreichend geeignet.